Dienstag, 17. Mai 2011

BGE - die Crux mit der Preisexplosion

Wenn man sich mit Menschen über das Bedingungslose Grundeinkommen (BGE) unterhält, tauchen bald viele Fragen auf. Die verbreitetsten sind vermutlich: Würde dann überhaupt noch jemand arbeiten? Ist es moralisch vertretbar, Geld ohne Gegenleistung zu verteilen? Wie soll das finanziert werden? Diese Fragen wurden bereits von verschiedenen BGE-Befürwortern recht ausführlich beantwortet.

Eine seltenere - aber immer wieder auftauchende - Frage lautet: Was passiert mit den Preisen? Hierauf sind die verschiedenen BGE-Initiativen bisher nur sehr sporadisch eingegangen.

Etwas ausführlicher formuliert lautet der Einwand: Wenn ein BGE von z. Bsp. 1000 Euro an alle Bundesbürger ausgezahlt wird, werden die Anbieter von Waren und Dienstleistungen die Preise entsprechend anheben. Bisher war der ALG-II-Satz die Mindestsumme, die jedem Konsumenten zur Verfügung stand (zumindest theoretisch...). Wird durch BGE-Einführung jedem eine höhere Kaufkraft gegeben, werden die Preise automatisch anziehen, und zwar solange, bis das ausgezahlte BGE wieder nur soviel wert ist wie das bisherige ALG-II. Dann müsste das BGE erhöht werden, die Preise ziehen wieder an, es muss weiter erhöht werden, usw... - auf diese Weise würde in kurzer Zeit eine Hyperinflation gezündet.

Wir sollten uns also die Frage stellen, wie sich dieses Problem beheben ließe.

Eine einfache Lösung könnte von den Anbietern selbst kommen. Wenn alle die Preise anheben, wird ein einzelner Händler, der dabei nicht mitmacht und seine Waren zum bisherigen Preis anbietet, einen enormen Umsatz machen, da alle nur noch bei ihm kaufen werden. Dadurch werden die anderen Anbieter gezwungen, ihre Preise zu senken, und zwar noch unter das Niveau desjenigen, der bei der Erhöhung nicht mitgemacht hat: Es folgt ein Preiswettlauf nach unten, der solange weiterläuft, bis die Gewinnsteigerung durch Verbilligung des Angebots durch die Verringerung der Einnahmen pro verkauftem Produkt kompensiert wird.

Dies kann funktionieren - muss aber nicht: Zum einen könnten die Anbieter einer ganzen Region im Hinterzimmer Preisabsprachen treiben, was zwar prinzipiell illegal, aber in der Praxis möglicherweise schwer nachzuweisen wäre. Zum anderen existieren bestimmte Güter, nach denen die Nachfrage so groß ist, dass jeder Anbieter sein Produkt los wird egal wie teuer oder billig das Produkt der Konkurrenz ist. Ein naheliegendes Beispiel ist die Wohnungssituation in Jena: Auf Grund der hohen Studentenzahlen herrscht in der Stadt chronischer Wohnungsmangel. Hier könnten die Vermieter die Mieten fast beliebig hoch schrauben, sie würden dennoch für jeden Dachboden und jede Hundehütte einen Mieter finden. Auch wenn ein bestimmter Vermieter sehr billigen Wohnraum anbieten würde (z. Bsp. das Studentenwerk) - die Konkurrenten könnten ihre Mieten so hoch lassen wie sie sind, es fänden sich dennoch problemlos Kunden. In diesem Fall funktioniert der oben genannte Mechanismus nicht.

Eine andere, "härtere" Methode zur Bekämpfung der Preisexplosion wären gesetzlich vorgeschriebene Maximalpreise. Sobald die Rechtslibertären reanimiert worden sind, können wir mit dem Artikel fortfahren... Ohne Sarkasmus: Sehr viele, nicht nur die Rechtslibertären, würden solche Preisvorschriften als kommunistische Diktatur empfinden. Man muss sich jedoch fragen, was denn nun "diktatorischer" ist: Wenn Firmen sich inoffiziell miteinander bezüglich der Verkaufspreise absprechen, oder wenn eine demokratisch gewählte Regierung bestimmt, zu welchem Preis ein gegebenes Produkt maximal verkauft werden darf. In manchen Bereichen existieren derartige Vorschriften ohnehin bereits (Wikipedia: Mietwucher).

Ich denke, jeder von uns kann damit leben, dass der Staat bestimmte Kontrollen ausübt und Vorschriften verhängt. Ich darf nicht um drei Uhr nachts auf der Straße Sousaphon spielen, ich bin verpflichtet, jemandem zu helfen, der einen Unfall hat, ich darf keinen Giftmüll in einem Naturschutzgebiet vergraben. Solche Gesetze sind moralisch unmittelbar einsehbar und für jeden als sinnvoll erkennbar. Wären nun gesetzlich geregelte Maximalpreise vom Standpunkt der Ethik her nicht letztlich genauso sinnvoll? Sie würden existieren, um zu verhindern, das Preissteigerungen zur Geldentwertung führen, und würden so einen Beitrag zur Sicherung des Wohlstands aller leisten.

Bei der Umsetzung eines solchen Gesetzes würden jedoch vermutlich gewaltige Komplikationen auftreten. Zuallererst müsste mit immensem Aufwand ein "Preiskatalog" erstellt werden, in dem für jedes einzelne Produkt (oder zumindest für jede Produktgruppe) ein Maximalpreis definiert wird. Dieser Katalog müsste zusätzlich noch alle paar Jahre überarbeitet und der momentanen Wirtschaftslage angepaßt werden. Anschließend müssten in regelmäßigen Abständen sämtliche Firmen und Anbieter überprüft werden, wodurch eine gigantische Bürokratie (und vermutlich einiges an Korruption) entstünde. Und staatliche Überwachungsbeamte, die auf Kontrollexpeditionen gehen, rufen wohl nicht nur bei mir unangenehme Assoziationen wach.

Gegen letzteres läßt sich natürlich einwenden, dass der Staat nicht notwendigerweise selbst zu prüfen braucht: Es würde ja genügen, dass die Verbraucher einen Anbieter bei einer dafür zuständigen staatlichen Stelle melden, wenn dieser seine Waren zu teuer verkauft. Das Problem eines enormen bürokratischen Aufwands verschwindet dadurch jedoch nicht. Möglicherweise würde sogar die Vereinfachung des Sozialwesens, die das BGE verspricht, dadurch zunichte gemacht: Die aufgeschwemmte "Bloatocracy", zu der der Sozialstaat sich entwickelt hat, verschwände zwar nach BGE-Einführung, dafür entstünde ein neuer Bürokratiekoloss, der sich nun allerdings mit Preisbegrenzung beschäftigt.

Wie ließe sich das Problem also lösen?

Kommen wir nochmal auf den ersten Ansatz zurück: Freiwillige Preisbegrenzung durch die Anbieter. Eine Motivation hierfür habe ich schon genannt: Umsatzsteigerung, indem Kunden durch billige Angebote geworben werden. Es könnte jedoch noch eine andere geben: Soziales Engagement der Unternehmer selbst. Viele Anbieter würden bei BGE-Einführung die Preise aus Überzeugung nicht übermäßig anheben. Der Drogeriekonzern DM würde das Konzept mit Sicherheit unterstützen, da der Firmengründer Götz Werner begeistert hinter dem BGE steht und es überhaupt erst in Deutschland auf breiter Front bekannt gemacht hat, und ihm daher nicht durch Preissteigerung das Wasser abgraben wollen. Gleiches gilt mit hoher Wahrscheinlichkeit für zahlreiche andere Unternehmen, die sich für sozial fortschrittliche Ideen stark machen.

Man sollte also versuchen, möglichst viele Firmen und Unternehmer für die BGE-Idee zu interessieren! Im Laufe der letzten Jahre hat sich das Konzept von einem exotischen gesellschaftlichen Gegenentwurf zu einem weitbekannten sozialpolitischen Ansatz entwickelt. Wenn erst ein großer Anteil der Unternehmer hinter der Idee steht, verliert das Risiko der Preisexplosion an Bedeutung: Die Anbieter werden die Preise allein deshalb nicht erhöhen, weil sie ein Sozialsystem unbeschädigt lassen wollen, das sie selbst unterstützen und geholfen haben aufzubauen und das nicht zuletzt auch Vorteile für sie mit sich bringt.

Zusätzlich käme natürlich nach wie vor der Wettbewerbsvorteil durch niedrigere Preise hinzu.

Erfahrungsgemäß ist es übrigens wesentlich einfacher, Millionäre oder Milliardäre für das BGE zu begeistern als z. Bsp. mittlere Angestellte. Steve Jobs und Richard Branson würden sich möglicherweise sofort engagiert hinter das Konzept stellen, wenn man sie dazu brächte, sich damit zu beschäftigen. Unternehmer als Unterstützer zu gewinnen könnte ein geringeres Problem sein, als man auf Anhieb denken würde.

Fazit: Eine breite Unterstützung des BGEs durch die Unternehmen selbst wäre vermutlich die beste Absicherung dagegen, dass es durch die Unternehmen zerstört wird!

Ich würde mich übrigens über ein paar Kommentare zum Text von Leuten freuen, die mehr von Wirtschaft verstehen als ich.

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