Mittwoch, 22. Juni 2011

Spekulation - das Rätsel um die Außerirdischen (Teil 2)

Ohne jede Frage wäre der Kontakt mit einer außerirdischen Zivilisation eines der einschneidensten Ereignisse der menschlichen Geschichte. Unser gesamtes Selbstverständnis, unsere grundlegendsten Auffassungen über Mensch und Kosmos würden komplett auf den Kopf gestellt werden. Zwar wird die Existenz intelligenter Außerirdischer inzwischen von der Mehrheit der Wissenschaftler für sehr wahrscheinlich gehalten. Einen handfesten Beweis dafür zu haben oder sogar mit solchen Wesen in Kontakt zu treten, würde dennoch einen philosophischen Schock auf der Erde auslösen. Um eine etwas überstrapazierte, hier aber angemessene Formulierung zu gebrauchen: Es wäre nichts mehr, wie es mal war.

Man kann sich nun die Frage stellen, wieso dieses Ereignis - Kontakt mit Außerirdischen - eigentlich nicht längst eingetreten ist. Angesichts der Tatsache, dass das Universum rund 14 Milliarden Jahre alt ist, die Menschheit jedoch erst seit einigen Jahrhunderttausenden existiert (der archaische Homo Sapiens trat vor 100 - 200 000 Jahren auf), müssten in der Galaxis Zivilisationen existieren, die viel älter und weiter entwickelt sind als wir. Diese müssten längst die Fähigkeit haben, Raumschiffe auf relativistische Geschwindigkeiten zu beschleunigen, und andere Planeten zu kolonisieren. Weshalb sind wir dann noch nie Außerirdischen begegnet? (Diverse Verschwörungstheorien über gefrorene Aliens auf amerikanischen Luftwaffenbasen lassen wir da, wo Verschwörungstheorien hingehören: im Papierkorb.)

Auch das SETI-Projekt (Search for extraterrestrial intelligence), das nach Radiosignalen anderer Zivilisationen horcht, wurde bislang nicht fündig. Keine außerirdische Sitcom flimmerte über die Bildschirme, kein Hit der angesagtesten Band von Tau Ceti klang aus den Lautsprechern. Lediglich eine kleine Anomalie wurde beobachtet: Das sogenannte Wow!-Signal wurde am 15. August 1977 vom Astrophysiker Jerry R. Ehman mit dem Big Ear-Radioteleskop der Ohio State University aufgezeichnet. Es handelt sich um ein schmalbandiges Radiosignal wahrscheinlich interstellaren Urpsrungs, das nahe an der Frequenz von 1420,405 MHz lag, mit der neutraler Wasserstoff strahlt. Die hohe Intensität und Schmalbandigkeit veranlasste Ehman dazu, auf den Computerausdruck des Empfängers "Wow!" zu schreiben - dies wurde der Name des Signals, von dem bis heute nicht geklärt ist, wer oder was es ausgelöst hat. Es ist nicht völlig unmöglich, dass es sich um eine künstliche Funkbotschaft handelte, auf die vielleicht sogar Daten aufmoduliert waren, die unter der damaligen Messgenauigkeit lagen. Leider wurde das Signal nur ein einziges Mal empfangen, auch mit empfindlicheren Teleskopen konnte es nicht mehr aufgespürt werden. Weitere Untersuchungen waren daher nicht möglich.


Ausdruck des Wow!-Signals. Zahlen und Buchstaben
codieren die Intensität.


Angesichts der 400 Milliarden Sterne in der Galaxis (und der vermutlich noch höheren Zahl von Planeten) und dem hohen Alter des Kosmos scheint es verblüffend, das wir bisher so wenig von den Außerirdischen gemerkt haben. Lediglich ein kurzer Funkimpuls, von dem noch nicht mal geklärt ist, ob er wirklich von Außerirdischen stammt, oder - wie viele Physiker annehmen - eher natürliche Ursachen hatte. Man würde eigentlich erwarten, dass es irgendeiner Zivilisation schon längst geglückt ist, interstellare Schiffe zu bauen. Jedes dieser Schiffe hätte Siedler zu einem anderen Planeten tragen können, die dann dort nach einer gewissen Aufbauphase neue Schiffe bauen, die wiederum zu anderen Planeten fliegen und immer so weiter - in wenigen Millionen Jahren könnte man so Kolonien in der ganzen Galaxis errichten. Die Außerirdischen müssten längst hier sein!

Was könnte die Lösung für dieses Paradoxon, dass nach dem Physiker, der es zuerst formulierte, Fermi-Paradoxon heisst, sein? Es gibt viele Möglichkeiten. Ich möchte einige geläufige, und einige exotischere nennen, und sie auf ihre experimentelle Überprüfbarkeit untersuchen.


1. Wir sind zwar nicht allein im Universum, aber allein in unserer Galaxis.

Es existiert vielleicht einfacheres Leben auf Exoplaneten, vielleicht Bakterien, möglicherweise außerirdische Analoga von Pflanzen, Pilzen, Fischen, Reptilien, Insekten u. ä., aber intelligentes Leben ist so unwahrscheinlich und selten, dass es in unserer Galaxis nur auf der Erde entstand - ein enormer Glücksfall! Vielleicht ist unsere Zivilisation sogar einzigartig in der lokalen Galaxiengruppe, es existieren ganze Sternsysteme, in denen nie jemand die Relativitätstheorie entdeckt, einen Roman geschrieben oder eine Sinfonie komponiert hat.


Milliarden von Welten - ohne eine Spur Hirn?


Diese Möglichkeit lässt sich erst dann experimentell überprüfen, wenn wir selbst interstellare Raketen bauen: dann können wir andere Planeten aus der Nähe untersuchen, und Außerirdische finden - oder eben auch nicht!


2. Wir sind nicht allein in der Galaxis, aber zufälligerweise die technisch am weitesten fortgeschrittene Zivilisation.

Das wäre natürlich auch ein großer Glücksfall! (Oder aus der Sicht von Anarcho-Primitivisten enormes Pech.) Die Erde wäre dann in der Milchstraße das, was Großbritannien im 18. und 19. Jahrhundert auf der Erde war: Das Zentrum der am weitesten entwickelten Wissenschaft und Technik. Man sollte sich fragen, weshalb dies so sein sollte, da die Galaxis schon viel länger als die Sonne und die Erde existiert. Ein Grund könnte sein, dass intelligentes Leben im Kosmos ein recht junges Phänomen ist. Falls es auf anderen Planeten in seinen physikalischen Grundlagen dem auf der Erde ähnelt, braucht es schwere Atome - Kohlenstoff u. ä. Diese waren zu Beginn im Universum noch nicht vorhanden, sondern mussten erst von Sternen erbrütet werden. Auf der Erde hat es weiterhin fast 4 Milliarden Jahre vom ersten Makromolekül bis zu Johann Wolfgang von Goethe gedauert. Vielleicht hat sich überhaupt erst sehr spät Leben im Kosmos entwickelt, und dieses brauchte dann nochmal viele Jahrmilliarden bis zur Intelligenz. Wir gehören zu den ersten, und sind zufälligerweise die schnellsten in Sachen Wissenschaft und Technik!


Das Industriezentrum der Galaxis?


Auch diese Hypothese kann nur mithilfe interstellarer Schiffe überprüft werden.


3. Es entstehen immer wieder technische Zivilisationen, aber die meisten zerstören sich selbst, bevor sie interstellare Schiffe bauen können.

Das ist natürlich ein deprimierender Gedanke, der aber gar nicht so weit hergeholt ist, wenn man bedenkt, dass die Menschheit während des Kalten Krieges mehrfach kurz vor der Selbstzerstörung durch einen thermonuklearen Schlagabtausch stand. Auch die Klimaerwärmung und andere Formen der Umweltverschmutzung könnten das Fortdauern unserer Spezies gefährden. Falls es uns jedoch gelingt, unsere politischen, gesellschaftlichen und technischen Probleme zu lösen und langfristig zu überleben, dann könnten wir mit Recht sehr stolz sein: Wie währen die ersten, die sich nicht selbst auslöschen.


Endpunkt aller Zivilisationen?

Unmittelbar lässt sich diese These natürlich auch nur durch Nahuntersuchungen testen. Es könnte jedoch möglich sein, die Atmosphären von Exoplaneten spektroskopisch auf Folgeprodukte von Umweltverschmutzung oder Kernexplosionen zu untersuchen.


4. Es haben schon einige Zivilisationen das interstellare Zeitalter erreicht, sie verlieren jedoch aus irgendwelchen Gründen immer recht schnell das Interesse an der Raumfahrt.

Dafür könnte es unterschiedliche  Gründe geben. Vielleicht ist bei den meisten Zivilisationen naturwissenschaftliche Neugierde nur eine vorrübergehende Phase, die in dauerhafte Passivität und Stagnation übergeht - angesichts der Tatsache, dass alle bekannten intelligenteren Lebewesen (Menschen, Affen, Delfine, Papageien...) stets eine starke Neugierde an ihrer Umgebung zeigen und Vorformen naturwissenschaftlichen Forschens schon vor Jahrtausenden in der Antike existierten, erscheint dies recht unwahrscheinlich. Möglicherweise finden hochentwickelte Zivilisationen aber irgendetwas, was ihnen interessanter als der Kosmos erscheint - simulierte Welten in Computernetzen wären eine Möglichkeit. Es wirkt natürlich lustig - und etwas absurd - sich technisch hochentwickelte Aliens als übergewichtige World-of-Warcraft-Junkies vorzustellen. Allerdings wären wohl viele von uns durchaus versucht, die Realität durch eine Simulation zu ersetzen, wenn diese so perfekt ist, dass sie sich von realer Wahrnehmung nicht mehr unterscheiden lässt (beispielsweise durch direkte Nervenstimulation), und jeder sich seine persönliche Simulation so gestalten kann, wie sie ihm gefällt.

Es scheint jedoch fraglich, ob wirklich ALLE Mitglieder einer Zivilisation sich freiwillig an die Matrix anschliessen. Und selbst wenn sie es tun, würde es bestimmt einige geben, die weiter das reale Universum erforschen wollen. Dazu müssten sie die Matrix noch nicht mal verlassen, externe Sensoren und Effektoren, die sich aus der Simulation heraus bedienen lassen, würden genügen.

Andererseits könnte es sein, dass sich aus irgendwelchen Gründen fast alle Zivilisationen in eine totalitäre Form hinein entwickeln, in der freie Forschung und Weltraumkolonisation streng reglementiert werden. Möglicherweise finden fast alle intelligenten Lebewesen die Demokratie (oder eine analoge Staatsform) irgendwann zu anstrengend und ziehen eine "bequeme Diktatur" vor, in der der Staat - oder eventuell ein intelligenter Computer - alle wichtigen Entscheidungen für den einzelnen fällt. Unabhängige Wissenschaft wäre dann nicht mehr möglich.

Egal, aus welchen Gründen manche Zivilisationen die Raumfahrt aufgeben - es sollte doch zumindest einige geben, die nicht so schnell das Interesse daran verlieren! Damit 4. das Fermi-Paradoxon löst, müssten alle Zivilisationen, die je existierten, bald nach der Entwicklung der Raumfahrt das Handtuch geworfen haben, und das erscheint unwahrscheinlich.

Allerdings hat Geoffrey A. Landis ausgerechnet, dass es genügt, dass einige Zivilisationen, bzw. Kolonien, das Interesse an weiteren Kolonisierungsflügen verlieren, damit in der Galaxis "Hohlräume" erhalten bleiben, die noch nicht von Aliens besucht wurden. Vielleicht liegt die Erde zufällig in einem solchen Hohlraum.

Um diese Hypothese zu testen, müsste man die Historik vieler verschiedener Zivilisationen studieren.


5. Es existiert eine Killer-Zivilisation, die andere Zivilisationen zerstört, sobald diese das Raumfahrtzeitalter erreichen.

Relativistische Raketen wären eine mächtige Waffe! Ihre immense kinetische Energie würde beim Einschlag auf einem Planeten eine Explosion auslösen, im Vergleich mit der sämtliche Kernwaffen der Erde eine vernachlässigbar kleine Zerstörungskraft haben. Daher könnten sich manche Zivilisationen durchaus davor fürchten, dass andere Technologien entwickeln, die relativistische Schiffe ermöglichen, und durch Präventivschläge diese Gefahr aus der Welt schaffen wollen.

Sie könnten zum Beispiel selbstreplizierende Roboter konstruieren, die sich allmählich über die Galaxis verteilen. Entdecken diese Roboter eine andere Zivilisation, die in der Lage scheint, schnelle interstellare Schiffe zu bauen, attackieren sie diese mit kontrollierten Meteoreinschlägen oder aggressiven Nanomaschinen und werfen sie in die Steinzeit zurück - oder löschen sie ganz aus.




Das bedrückende daran ist, dass nur eine einzelne Zivilisation paranoid und skrupellos genug sein muss, um dieses Szenario zu verwirklichen: Die selbstreplizierenden Roboter würden den Rest erledigen, und die Galaxis dauerhaft zu einem Ort machen, an dem interstellare Raumfahrt für den, der sie versucht, stets tödlich endet.

Stephen Hawking sprach sich aus einem ähnlichen Grund übrigens gegen Versuche aus, außerirdischen Zivilisationen aktiv Nachrichten zu senden (METI - Messaging extraterrestrial Intelligences): Die Wahrscheinlichkeit sei einfach zu groß, dass dadurch irgendjemand angelockt werde, der der Erde nicht wohlgesonnen sei.

Was dagegen spricht, ist, dass wir vermutlich in den nächsten hundert Jahren die nötigen Technologien entwickeln werden, die interstellare Raketen ermöglichen (Kernfusion, künstliche Intelligenz...), und noch keine Roboter uns angegriffen haben. Wir werden den experimentellen Test dieser Hypothese möglicherweise bald selbst durchführen: Wenn es uns gelingt, die Raumfahrt weiterzuentwickeln, ohne das außerirdische Roboter die Erde attackieren, dann ist sie wohl falsch. Ansonsten können wir nur hoffen, die Roboter mit einer Flut von Spammails lahmzulegen.


6. Es existiert längst eine galaktische Zivilisation, die sich uns noch nicht offenbart hat.

Das ist ohne jeden Zweifel die faszinierendste Möglichkeit. Vielleicht haben Außerirdische schon vor langer Zeit eine interstellare Föderation etabliert, vielleicht pflügen längst riesige Schiffe durch den Raum zwischen den Sternen. Vielleicht existiert sogar ein Netzwerk von Wurmlöchern oder eine ähnliche Einrichtung, die überlichtschnellen Raumflug ermöglicht, und viele verschiedene Planeten haben sich zu einer Metakultur zusammengeschlossen, die ein wissenschaftliches und philosophisches Niveau erreicht hat, das so weit über unserem liegt wie unseres über dem der Altsteinzeit.


Vielleicht können Superzivilisationen die Energie ganzer Sterne bündeln?
Solche Zivilisationen nennt man "Kardaschow Typ 2". "Kardaschow Typ 3"
können die Energie einer ganzen Galaxis nutzen, Typ 1 die eines Planeten.
Die Menschheit befindet sich auf dieser Skala bei 0.7.

Und aus irgendwelchen Gründen hat sich diese Superzivilisation dazu entschlossen, die Erde vorerst in Ruhe zu lassen. Möglicherweise sehen sie uns als Barbaren an, mit denen der Kontakt nicht lohnenswert ist. Oder sie möchten, dass wir uns aus eigener Kraft entwickeln, und laden uns dann ein, ihrer Kultur beizutreten, wenn wir das nötige Niveau erreicht haben. Oder sie halten uns aufgrund unserer hohen Aggressivität für potentiell gefährlich, haben den Weltraum rings um das Sonnensystem abgeschottet und überwachen uns genau, um sicherzugehen, dass wir keine Schiffe bauen, die mit kriegerischer Absicht zu anderen Planeten aufbrechen.

Man sollte sich jedoch fragen, warum, wenn diese These zutrifft, noch keine Beobachtungen gemacht wurden, die sie stützen: Eigentlich müsste die Existenz einer galaktischen Superzivilisation durch astronomische Beobachtungen nachweisbar sein. Die von Kernfusions- oder Antimaterieantrieben freigesetzte Strahlung sollte sich in Form schnell bewegter Punktquellen bemerkbar machen. Funksprüche zwischen den Planeten müssten abhörbar sein. Asteroidenbergbau in Exo-Kuipergürteln sollte, wenn er in großem Umfang betrieben würde, beobachtbar sein, und große Konstrukte wie Dysonschwärme (ein dichter Schwarm von Raumstationen um einen Stern) würden als Infrarotquellen auffallen. All dies wurde zwar noch nicht beobachtet - das bedeutet jedoch nicht, dass eine solche Superzivilisation nicht existiert. Schiffe könnten vollständig andere Antriebe nutzen, deren Prinzip unsere Physik noch nicht entdeckt hat. Funkverkehr könnte entweder gerichtete Signale (z. Bsp. Laser) nutzen, und darauf achten, dass diese nicht zufällig auf die Erde gerichtet werden (das Wow!-Signal wäre dann ein einmaliger Fehler), oder völlig andere Teilchen und Wellen nutzen, vielleicht das Gravitationswellenspektrum oder Partikel, die wir noch nicht kennen. Dysonschwärme werden vielleicht einfach aus praktischen Gründen (zu aufwändig zu bauen) nicht genutzt, und auch sonst achtet die Superzivilisation darauf, dass sie für uns ebenso unentdeckbar bleibt, wie es ein Nachrichtensatellit für eine steinzeitliche Gesellschaft wäre.

Wir können diese These testen, indem wir den Kosmos weiter ausforschen und uns wissenschaftlich und gesellschaftlich weiterentwickeln - falls die galaktische Zivilisation existiert, wird sie sich irgendwann bemerkbar machen.


7. Außerirdisches Leben ist so fremdartig, dass wir es nicht erkennen können.

Auch diese Hypothese ist faszinierend. Falls Außerirdische keine kohlenstoffbasierten Lebensformen wie wir sind, sondern zum Beispiel Fusionsplasmawesen in Sternhüllen, Konstrukte aus kosmischen Strings (Fäden aus purer Raumzeit) oder Dunkelmaterie-Gebilde wie die "Photino-Vögel" in den Romanen von Stephen Baxter, dann waren unsere bisherigen SETI-Bemühungen einfach deshalb vergebens, weil diese gar nicht darauf ausgelegt waren, solche exotischen Lebensformen aufzuspüren. Raumzeit-Lebewesen würden keine Funkbotschaften austauschen, sie würden selbst mit Lichtgeschwindigkeit durch die Galaxis schwärmen oder sich mit Gravitationswellen unterhalten. Dunkelmaterie-Wesen könnten jetzt in diesem Augenblick die Erde umkreisen - sie würden unentdeckt bleiben, da Dunkelmaterie nur über die Gravitation mit dem Rest des Universums wechselwirkt und die Anziehungskräfte (außer bei sehr großen Dunkelmaterie-Wesen) zu schwach wären, um die Erde zu beeinflussen.




Diese Hypothese ist experimentell nur teilweise überprüfbar - mit neuen physikalische Untersuchungsmethoden ließe sich die Existenz bestimmter Arten exotischen Lebens untersuchen: Gravitationswellen-Teleskope könnten testen, ob Raumzeit-Wesen in diesem Spektrum Nachrichten senden, aber es bleibt immer die Möglichkeit, dass noch fremdartigeres Leben existiert, dass aus physikalischen Strukturen besteht, die noch nicht entdeckt wurden.

Es lassen sich noch exotischere Hypothesen formulieren:


8. Wir leben in einer von Außerirdischen kreierten Simulation.

Diese Hypothese ist prinzipiell nicht überprüfbar. Ich könnte sie sogar noch verschärfen, und sagen: ICH lebe in einer Simulation, alle anderen Menschen werden von Programmen nachgebildet. Diese Behauptung entzieht sich der experimentellen Untersuchbarkeit - nur logische Fehler in der Simulation könnten einen Hinweis darauf liefern, dass die Vermutung zutrifft.

Persönlich ziehe ich es vor, anzunehmen, dass ich nicht in einer Simulation lebe.


9. Variation von 8.: Planetariums-Hypothese

Dies ist eigentlich eine Kombination von 7. und 8.: Hochentwickelte Aliens haben, um ihre Existenz vor uns zu verbergen, eine riesige Projektionsfläche rings um das Sonnensystem konstruiert. Unsere Astronomen beobachten tatsächlich gar keine anderen Himmelskörper, sondern, wie in einem Planetarium, Lichtpunkte auf der Projektionsfläche.

Diese Hypothese ist jedoch, im Gegensatz zu 8., experimentell prüfbar: Falls sie zutrifft, sollten unsere Voyager- und Pioneer-Sonden, die grade das Sonnensystem verlassen, bald gegen die Projektionsfläche stoßen.

Welche von den 9 Hypothesen (die nur einen kleinen Ausschnitt aus allen je formulierten Lösungen des Fermi-Paradoxons darstellen), trifft nun wohl zu? Ich möchte wissenschaftlich antworten: Ich weiß es nicht. Ich - und alle anderen Menschen auch - habe bisher nicht genug Information, um eine der Thesen zu favorisieren. Ich möchte allerdings sagen, welche davon mir plausibel vorkommen, und welche nicht.

Die erste These, dass wir alleine in unserer Galaxis sind, versuchte der amerikanische Astronom Frank Drake schon im Jahr 1961 mit einer gewissen quantitativen Abschätzung zu überprüfen. Er entwickelte die sogenannte Drake-Formel, mit der sich die Anzahl technisch entwickelter, kommunikationsfähiger Zivilisationen in der Galaxis berechnen lässt. Dabei werden natürlich nur Lebewesen ähnlich der irdischen - auf Wasser-Kohlenstoffbasis - berücksichtigt. Die Formel lautet:

N = R * fp * ne * fl * fi * fc * L

Die verschiedenen Größen haben folgende Bedeutung:

N: Anzahl kommunikationsfähiger Zivilisationen.
R: Sternbildungsrate, über Lebensdauer der Galaxis gemittelt.
fp: Anteil der Sterne mit Planeten.
ne: Anzahl der Planeten in lebensfreundlicher Zone um den Stern (weder zu heiß noch zu kalt).
fl: Anteil dieser Planeten, auf denen sich auch wirklich Leben bildet.
fi: Anteil der belebten Planeten mit intelligentem Leben.
fc: Anteil der Zivilisationen, die höhere Technologie entwickeln.
L: Lebensdauer einer technischen Zivilisation.


Das Problem mit dieser an sich sinnvollen Gleichung ist, dass nur die ersten beiden Faktoren aus astronomischen Beobachtungen relativ genau bekannt sind! Die übrigen Werte kann man bestenfalls zu erraten versuchen.

Drake benutzte folgende Werte:

R = 10 Sterne pro Jahr
fp = 0.5
ne = 2
fl = 1
fi = 0.01
fc = 0.01
L = 10000 Jahre


Dies ergibt eine Anzahl kommunikationsfähiger Zivilisationen in unserer Galaxis von N = 100. Man kann allerdings auch Werte einsetzen, die zu einigen wenigen, oder aber mehreren Millionen führen! Grade fi, fc und L sind bislang völlig unbekannte Größen.

Man kann also über die erste Hypothese keine wirklich sinnvollen Aussagen machen. Allerdings deuten die wissenschaftlichen Erfahrungen der letzten 400 Jahre darauf hin, dass die Erde wohl so besonders nicht ist: Zuerst wurde sie von Kopernikus aus dem Zentrum des Universums verschoben, was später analog mit dem ganzen Sonnensystem geschah, und zuletzt mit unserer Galaxis. Darwin widerlegte die Einzigartigkeit des Menschen als Lebensform - er stammt von anderen Tierarten ab. Es sollte also nicht erstaunen, wenn auch unsere Zivilisation bei weitem kein Einzelfall ist. Intuitiv betrachtet erscheint die erste These daher unwahrscheinlich.

Die zweite These - wir sind am weitesten fortgeschritten - wirkt auch "unkopernikanisch", da sie die Erde wiederum als herausragenden Sonderfall darstellt. Unmöglich ist sie natürlich nicht, sie erscheint nur kontraintuitiv.

Die dritte erschien zur Zeit des kalten Krieges sehr wahrscheinlich, heutzutage kann man die zivilisatorische Entwicklung mit etwas mehr Optimismus betrachten. Die Demokratie breitet sich immer weiter aus. Das Internet verstärkt den Ideenaustausch zwischen den Menschen. Bleibende Gefahren sind allerdings Umweltverschmutzung und Klimawandel. Es lässt sich jedoch hoffen, dass diese Probleme durch extensiven Ausbau der erneuerbaren Energien und/oder Entwicklung der Kernfusion unter Kontrolle gebracht werden können.

Es mag sein, dass manche Zivilisationen sich selbst zerstören, bevor sie die Sterne erreichen. Andere gehen aber sicherlich klüger vor und überwinden ihre zivilisatorischen Kinderkrankheiten - wir sollten hoffen, dass wir zu letzteren gehören werden!

Das gleiche gilt natürlich für These Nr. 4.

Die beängstigende 5. These erscheint insofern nicht völlig implausibel, da es genügt, dass eine einzige paranoide Zivilisation irgendwann mal selbstreplizierende "Inhibitions-Roboter" ausgeschickt hat, die seitdem die Galaxis patroullieren und alle Zivilisationen zerstören, die kurz davor stehen, die interstellare Raumfahrt zu entwickeln.

Psychologisch betrachtet erscheint das allerdings fragwürdig. Zwar wissen wir überhaupt nichts über die seelischen Prozesse bei Extraterrestriern, es ist jedoch eine plausible Annahme, dass Intelligenz immer mit starker Neugierde verknüpft ist. Daher kann man sich kaum vorstellen, dass eine Zivilisation Präventivschläge mit aggressiven Robotern führt, sobald sie erfährt, dass es andere belebte Planeten gibt, deren Bewohner in der Lage sind, relativistische Raketen zu bauen: Höchstwahrscheinlich wären sie eher davon besessen, mit den Fremden in Kontakt zu treten und mehr über sie zu lernen. Stellen wir uns vor, in hundert Lichtjahren Entfernung würde ein bewohnter Exoplanet entdeckt, und wir würden erfahren, dass die Außerirdischen in der Lage sind, mit naher Lichtgeschwindigkeit zu fliegen. Kaum jemand würde darüber nachdenken, wie man die Aliens angreifen könnte. Stattdessen wäre die allgemeine Reaktion: "Wow, Außerirdische! Wann können wir sie besuchen? Können wir erlernen, ihre fortgeschrittene Technologie zu nutzen? Wie haben sie es geschafft, von fossilen Brennstoffen loszukommen? Können sie uns beim Bau von Fusionskraftwerken helfen? Haben sie schon die Quantengravitation entwickelt? Was glauben, hoffen, denken und fühlen sie?"

Es ist auch unwahrscheinlich, dass selbstreplizierende Roboter sich bis in alle Ewigkeit vermehren können ohne je Fehler zu machen. Fehler beim Kopieren von Hard- und Software würden zu einer Maschinenevolution führen, die völlig anderes Verhalten auslösen könnte, als von den Erbauern beabsichtigt. Vielleicht würden die Roboter ihre Erbauer selbst angreifen, oder, was wahrscheinlicher ist, untereinander um Baumaterial und Energiequellen kämpfen. Ihre ursprüngliche Mission, raumfahrende Zivilisationen zu zerstören, wäre bald vergessen.

Außerdem wurden wir bisher noch nicht angegriffen, obwohl wir bereits Raumfahrt betreiben (allerdings nur innerhalb des Sonnensystems) und mit großen Schritten auf die Beherrschung der Kernfusion hinarbeiten. Wir verfügen übrigens prinzipiell sogar schon über eine Technologie, die interstellare Reisen ermöglicht: Den Orion-Antrieb, der auf vielen kleinen Atombombenexplosionen beruht und heutzutage bereits realisierbar wäre. Dennoch sind keine Killerroboter im Sonnensystem aufgetaucht.

Dies alles läßt These Nr. 5 unwahrscheinlich wirken.

Bleiben 6 und 7 (sowie die exotischen Lösungen 8 und 9). Wartet wirklich eine uralte, galaktische Zivilisation darauf, dass wir ein gewisses zivilisatorisches Niveau erreichen, um uns dann zu fragen, ob wir ihr beitreten möchten? Oder sind Außerirdische so fremdartig, von ihrer physikalischen und mathematischen Struktur her so weit von uns entfernt, dass grade einer hier im Zimmer sein könnte, wir ihn jedoch nicht bemerken, weil unsere Sinnesorgane nicht dazu geeignet sind, Gebilde aus stehenden Neutrinowellen wahrzunehmen? Ich weiß es nicht. Niemand weiß es bislang.

Wie meine persönliche Vermutung aussieht?

Eigentlich ein Gemisch aus allen genannten Hypothesen.

Ja, es gibt andere Zivilisationen in der Galaxis. Ja, viele davon zerstören sich selbst. Aber es überleben manche auch längerfristig. Einige haben angefangen, andere Planeten zu kolonisieren. Die Erde haben sie aber nicht besiedelt, entweder weil sie sie noch nicht gefunden haben, oder weil sie das lokale Leben nicht durcheinanderbringen wollen, oder weil sie ihnen aus irgendwelchen Gründen nicht wohnlich erscheint (falscher Luftdruck, falsche Temperaturen, zuviele Ozeane, unsympathische Einwohner, was auch immer).

Manche der Extraterrestrier haben sogar schon ein sehr hohes Entwicklungsniveau erreicht: So hoch, dass sie nicht mehr als normales Leben erkennbar sind, ja von unseren Instrumenten gar nicht mehr wahrgenommen werden können. Sie haben ihr Bewußtsein der Raumzeitstruktur selbst aufgeprägt, so dass sie nun als rein geometrische Gebilde durch das Universum streifen, um seine letzten Geheimnisse zu ergründen.

Das wären meine Vermutungen.

Die natürlich völlig falsch sein können.


Das Hubble Deep Field.
Ob wir nun allein in unserer Galaxis sind oder nicht - wir sind sicherlich
nicht allein im Universum.

Weblinks

Fermis Paradox in den Papern bei arXiv.org

Artikel von David Brin

Ein Paper, ebenfalls von D. Brin

Bynaus' Seite zum SETI-Thema

Michael Shermer: Warum Aliens wahrscheinlich friedfertig sind

Michio Kaku zur Physik außerirdischer Zivilisationen

Donnerstag, 16. Juni 2011

Spekulation - das Rätsel um die Außerirdischen (Teil 1)

"...aliens, if they exist, would probably be very different from us. They might look like big slugs, or be flat like reflections. Or they might be bigger than planets. Or they might not have bodies at all. They might just be information, like in a computer. And their spaceships might look like clouds, or be made up of unconnected objects like dust or leaves."

-- Mark Haddon: "The curious incident of the dog in the nighttime"



Außerirdische sind regelrechte Publikumsmagnete. Egal ob im Buch, im Fernsehen auf der Kinoleinwand oder in irgendeinem anderen Medium: Wesen von anderen Planeten bezaubern und faszinieren. Der knuddelige, super-hedonistische Alf, der rationale Mr. Spock, der putzige ET, der wilde, aber ehrenhaft kämpfende Predator oder die monströsen Xenomorphe aus der Alien-Reihe: Sie alle fesseln die Aufmerksamkeit des Zuschauers, da sie einen unserer wichtigsten Antriebe ansprechen - die Neugierde, unsere Faszination mit dem Unbekannten.

Bemerkenswert ist natürlich, dass all diese Figuren, so exotisch sie auch auf den ersten Blick wirken, letztlich allzu irdische Konzepte symbolisieren: Alf ist letztlich ein burschikoser Collegestudent, Mr. Spock ein neuenglischer Intellektueller, ET ein kleines Kind. Der Predator entspricht der Vorstellung, die die Europäer im 19. Jahrhundert von Naturvölkern hatten: Wild und grausam, aber auch ehrenhaft. Jabba the Hutt aus Star Wars ist ein italienischer Mafiapate, die Borg aus Star Trek überspitzt gezeichnete Kommunisten. Die Xenomorphe sind undurchschaubare Raubtiere, die unsere angeborene Furcht vor der Dunkelheit, der Wildnis, und was darin lauern könnte, ansprechen. Die Aliens aus der Science Fiction sind gewiss fremdartig - aber nicht so fremdartig, dass sie nicht unsere Gefühle, unsere Sympathien, Hoffnungen und Ängste wecken würden.



Parade fiktiver Aliens (von links oben nach rechts unten): Alf, Mr. Spock ("Star Trek"),
ET, Predator, Xenomorph ("Alien"), Jabba the Hutt ("Star Wars"), Borg Queen ("Star Trek")


Vielleicht lag es an dem starken Interesse der Populärkultur an dem Thema, dass es bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts dauerte, bis Wissenschaftler sich trauten, sich ernsthaft damit zu beschäftigen, und die Frage zu stellen, wie Außerirdische wohl in der Realität sein könnten. Enrico Fermi wollte schon im Jahr 1950 kurz und knapp wissen: "Wo sind sie?" - er wunderte sich, warum sich noch keine Aliens bei uns gemeldet hätten.

Heute gibt es für die wissenschaftliche Untersuchung außerirdischen Lebens einen Fachterminus: Astrobiologie (manchmal auch genannt Exo- oder Xenobiologie). Zwar ist dies bislang quasi eine Wissenschaft ohne konkreten Forschungsgegenstand - schließlich sind noch keine interstellaren Raumfahrer bei uns eingetroffen, und die Suche nach Leben auf dem Mars verlief bislang ergebnislos. Jedoch können wir anhand dessen, was wir über das Leben auf der Erde wissen, Analogieschlüsse ziehen und sinnvolle Hypothesen über außerirdische Lebensformen aufstellen.

Was ist eigentlich Leben? Im allgemeinsten Sinne handelt es sich um Informationen, die sich selbst erhalten und vervielfältigen können, ohne dabei externe Strukturen zu benutzen. Ein Bakterium, ein Pfifferling, ein Wal oder ein Mensch sind daher Lebewesen: Sie nehmen nur Energie (letztlich in Form von Sonneneinstrahlung) und Nährstoffe aus der Umgebung auf, und können sich selbst vermehren. Viren - sowohl biologische wie Virenprogramme in Computernetzen - sind dagegen nach dieser Definition allenfalls Pseudoleben. Sie benötigen die Hilfe externer Strukturen zur Vermehrung - die einen den gesamten Stoffwechsel einer Wirtszelle, die anderen Betriebssysteme oder Anwendungsprogramme, mit deren Hilfe sie Kopien ihrer selbst herstellen.

Eine weitere, wichtige Eigenschaft des Lebens ist die Evolution: Durch zufällige Fehler bei der Vermehrung entstehen Mutationen, durch die die Nachkommen an die Lebensbedingungen besser oder schlechter angepasst sein können als die Elterngeneration. Die am besten angepassten Lebewesen vermehren sich am stärksten und dominieren dadurch bald die Population. Dies erlaubt über sehr lange Zeiträume die Entstehung völlig neuer Merkmale und neuer Arten.

Als Informationsträger nutzen die Lebewesen auf der Erde komplexe Kohlenstoffmoleküle. Diese sind dafür besonders geeignet, weil Kohlenstoff vier kovalente Bindungen eingehen kann (er hat "vier Ärmchen"), und daher besonders gut zum Aufbau komplizierter Molekülstrukturen taugt. Die physiologische Struktur der Lebewesen wird dabei in Form von DNS- oder RNS-Molekülen gespeichert, in denen vier verschiedene Basen als "Alphabet" dienen. Im Laufe des Lebens eines Individuums erworbene Information dagegen wird in Nervensystemen, durch Verknüpfung von Neuronen, abgelegt. Diese Informationen werden nicht vererbt, sondern durch Lernprozesse an die nächste Generation weitergegeben. Die Menschheit hat sogar ein drittes Informationssystem geschaffen: Bücher, Computer und andere Datenspeicher dienen als generationenübergreifendes Informationsreservoir, auf das (idealerweise) alle Menschen zugreifen können.


Das DNS-(Desoxyribonukleinsäure)-Molekül speichert den
gesamten Bauplan eines Lebewesens, mit vier verschiedenen
Basen (Adenin, Guanin, Thymin und Cytosin) als "Buchstaben".


Damit die komplexen Kohlenstoffmoleküle ihre Arbeit verrichten können, müssen sie in ein Lösungsmittel eingebettet sein. Dies ist auf der Erde Wasser.

Um sinnvolle Hypothesen über Außerirdische aufstellen zu können, sollten wir uns überlegen, was allen höheren Lebensformen auf der Erde gemeinsam ist:


1. Vorrichtungen zur Atmung, Nahrungsaufnahme und Ausscheidung

Damit die chemischen Reaktionen, die zum Erhalt des Lebens und zur Fortpflanzung nötig sind, ablaufen können, müssen Stoffe aufgenommen und abgegeben werden. Auch das Lösungsmittel Wasser muss regelmäßig ersetzt werden. Bei den Wirbeltieren dient der Ausscheidungstrakt noch zusätzlich zur Fortpflanzung - bei Vögeln und Kloakentieren unmittelbar, bei den Säugern ist das weibliche Genital zwar separat, befindet sich aber in der gleichen Körperregion.


2. Sinnesorgane

Lebewesen benötigen Informationen aus der Umwelt, um überleben zu können. Bei uns Menschen sind die wichtigsten Sinnesorgane Augen und Ohren. Andere Tiere - z. Bsp. Raubtiere oder in noch höherem Maße manche Fische - verlassen sich stärker auf den Geruchssinn. Viele Gliederfüßer (Skorpione, Küchenschaben) verfügen über einen sehr präzisen Tastsinn. Wieder andere (Zugvögel, Schildkröten, Hirsche) können Magnetfelder wahrnehmen. Haie dagegen spüren die schwachen elektrischen Felder, die von der Muskelaktivität ihrer Beutetiere erzeugt werden.

Auch zur Kommunikation mit Artgenossen sind leistungsfähige Sinnesorgane unverzichtbar. Menschen kommunizieren primär akustisch, aber auch optisch (Gestik/Mimik). Tintenfische dagegen nutzen eine "Farbsprache", die auf Veränderungen des Musters auf der Körperoberfläche beruht. Bienen vermitteln ihren Artgenossen mithilfe von Körperbewegungen ("Bienentanz"), wo sich Nahrungsquellen befinden.

Ein besonders erfolgreiches Sinnesorgan ist das Linsenauge - es hat sich bei Wirbeltieren und Kopffüßern unabhängig voneinander entwickelt ("konvergente Evolution"). Auch manche Gliederfüßer -  insbes. Spinnen - verfügen über einfache Linsenaugen. Dies könnte darauf hindeuten, dass auch extraterrestrische Lebewesen über ähnliche Augen verfügen.


3. Gehirn

Alle komplexeren Tiere verfügen über ein Zentralnervensystem als Schaltzentrale und Informationsspeicher. Es befindet sich in einem meist deutlich vom übrigen Körper abgesetzten Kopf, in der Nähe der primären Sinnesorgane. Einfachere Tiere wie z. Bsp. Quallen haben ein verteiltes, netzartiges Nervensystem.


4. Manipulatoren

Tiere nehmen nicht nur Informationen aus der Umgebung auf, sie verändern diese auch aktiv, um ihr Überleben zu sichern. Primaten benutzen dazu modifizierte Vorderbeine - Arme die in Händen auslaufen. Vögel verlassen sich auf ihren Schnabel und Kraken und Tintenfische auf ihre Tentakel. Krebstiere wiederum tragen Scheren an ihren Vorderbeinen. Ein interessanter Sonderfall sind Wale und Delphine, da sie zwar relativ intelligent sind, aber kaum über manipulative Fähigkeiten verfügen, was natürlich daran liegt, dass es im offenen Meer kaum Objekte gibt, die man manipulieren könnte.


Diese vier Körpermerkmale sind das Sine Qua Non für komplexe Tierarten auf der Erde. Es scheint daher vernünftig, anzunehmen, dass auch Außerirdische Lebensformen über äquivalente Strukturen verfügen. Sie werden über Körperöffnungen zur Stoffaufnahme und -abgabe verfügen, über Augen oder andere Sinnesorgane, ein Gehirn als Steuerzentrale und manipulationsfähige Extremitäten. Diese werden jedoch mit extrem hoher Wahrscheinlichkeit nicht wie bei Mr. Spock angeordnet sein.

Vergessen wir nicht, dass Evolution ein völlig stochastischer Prozess ist: Zufällige Veränderungen in den Basenpaaren des Erbgutes führen zu veränderten Eigenschaften, die in Abhängigkeit von den Umweltbedingungen die Überlebens- und Fortpflanzungschance eines Lebewesens erhöhen (und sich damit durchsetzen) oder verringern (und dadurch aussterben). Größe, Form und Aussehen der verschiedenen Arten sind daher - innerhalb gewisser von der Physik vorgegebenen Grenzen - reine Zufallsprodukte. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein realer Außerirdischer wie Leonard Nimoy aussieht, ist verschwindend gering.

Science-Fiction-Autoren, die die Naturgesetze ernst nehmen (sog. "Hard SF"), haben also einigen kreativen Spielraum. Es sind viele biologisch-physikalisch plausible Körperbaupläne denkbar. Starten wir also kühn in Richtung Terra Incognita und spekulieren frei - aber immer im Rahmen der bekannten Naturgesetze - was für intelligente Lebensformen auf fernen Exoplaneten existieren könnten: Nach Art eines guten SF-Autors wollen wir - als eine Art spekulative Gedankenübung - einige außerirdische Lebensformen erfinden, die mit den bekannten Prinzipien der Biologie kompatibel wären. Unsere Vorstellungskraft führt uns zu...


den Eierköpfen!

...die auf einem Planeten mit etwas geringerer Gravitation als die Erde leben. Ihr Körper ist rund 50 cm hoch und ähnelt von der Form her einem Ei, mit einer leichten Einschnürung in der Mitte, in der ringsum die Atemöffnungen liegen. Das große Gehirn befindet sich in der oberen Körperhälfte. Ringsherum sind vier große Linsenaugen angeodnet, die einen hochaufgelösten Rundumblick gewähren. In der unteren Körperhälfte finden sich die sonstigen Organe (Herz, Lunge, Verdauung...). Unsere Eierköpfe bewegen sich auf vier krebs- oder spinnenartigen Schreitbeinen fort, mit kleinen Greifscheren an den Enden. Nahrung wird über einen ausfahrbaren Rüssel an der Unterseite des Eikörpers aufgenommen. Sie besteht aus verwesendem pflanzlichen Material und kleinen, wirbellosen Tieren. Daneben sitzt eine kurze, dicke Röhre, die zur Ausscheidung und Fortpflanzung dient. Es existieren zwei Geschlechter.

Die Eierköpfe haben ein Doppelskelett: Einen Chitinpanzer außen herum und zusätzlich zur Verstärkung Knochen im Inneren. Die Atmung erfolgt mit einem Lungenäquivalent, der Blutkreislauf ist geschlossen, wie bei den Wirbeltieren auf der Erde.

Wie sich die unmittelbare Nachbarschaft von Mund und Kloake auf die Kultur der Eierköpfe auswirkt, dürften ein breites Spekulationsfeld für SF-Autoren sein.


und zu...

den Baumwürmern!

...welche nicht etwa auf Bäumen leben, sondern in Sümpfen, wo Schlick und Wasser ihnen einen gewissen Auftrieb gewähren, der sie davor schützt, von der hohen Gravitation ihres Planeten (ca. 3 g) flachgedrückt zu werden. Ihr Name bezieht sich auf den Körperbau. Sie haben die Gestalt übergroßer Rundwürmer mit kontrahierbaren Segmenten zur Fortbewegung. Vorne ist ein länglicher Kopf, der das Gehirn enthält, aber keine Augen trägt - die wären nämlich auf ihrem Planeten sinnlos, da er, wie die Venus, ständig in dichte Wolken gehüllt ist, aus denen ein warmer Dauerregen fällt. An dem Kopf setzen drei Fortsätze an, die genauso wie der Hauptkörper geformt, aber kleiner sind. An jedem davon sitzen wiederum drei kleinere Fortsätze, die dann wiederum... genau, die Manipulatoren der Baumwürmer sind fraktal aufgebaut, wie die Kronen der Bäume auf der Erde: An größeren Strukturen setzen immer wieder kleinere an, die von der Form her den größeren ähneln. Dieses Prinzip wurde übrigens schon zur Konstruktion von Robotern vorgeschlagen (sog. Bushbots).


Ein hypothetischer Bushbot - ein Roboter, dessen
Arme sich verzweigen wie die Äste eines Baums.


Die fraktal verästelten Manipulatoren der Baumwürmer sind sehr stark von Nervengewebe durchzogen, so dass sie, wie die Fangarme irdischer Kraken, über eine gewisse "Eigenintelligenz" verfügen. Sie tragen viele Tast- und Geruchsrezeptoren, mit denen die Baumwürmer ihre Umgebung erkunden. Zur Verständigung dienen Pheromone.

Die Fortpflanzung erfolgt teils durch Knospung - ein neuer Baumwurm wächst aus dem Hinterteil eines alten heraus, wobei der neue das Wissen und die erworbenen Kenntnisse des alten teilweise übernimmt, da die Nervensysteme anfangs verbunden sind - teils durch Eiablage: Ein Wurm brütet ein Gelege in einem Schleimsack unter seinem Rumpf aus, nachdem ein anderer von außen seinen Samen über die Eier gesprüht hat - hierbei kann jeder Wurm "beides", sie sind, wie irdische Schnecken, Zwitter.

Eine technische Zivilisation werden sie jedoch in ihren schlammigen Tümpeln wohl nicht aufbauen.


und zum Schluß zu den...

Wüstensausern!

Diese haben einen langen, senkrechten, rohrförmigen Körper, der in der Mitte zwiebelförmig erweitert ist, um Platz für die riesigen Lungen zu schaffen, die den sauerstoff aus der dünnen Atmosphäre ihres marsartigen Planeten ziehen. Zur Fortbewegung dient ein einzelnes Sprungbein, das in einem runden Tellerfuß endet und nicht von Muskeln, sondern von komprimierter Luft bewegt wird, die die Sauser durch mehrere Ventile einsaugen und mittels peristaltischer Bewegungen verdichten. Kleine Gleitschirme an der Körperseite erhöhen die Sprungweite auf mehrere hundert Meter. Sie haben keine Augen, sondern orientieren sich wie Fledermäuse mit reflektierten Ultraschallpulsen, die sie mit einem Organ am oberen Körperende erzeugen und mit einer ganzen Batterie großer Ohren wieder auffangen. Sie verfügen über einen einzelnen, gelenkigen Arm, an dessen Ende eine Zange sitzt, die sowohl als Hand wie auch zur Nahrungsaufnahme dient.

Der Fortpflanzungstrakt befindet sich unterhalb des großen Lungenbeutels. Sie sind zweigeschlechtlich, die Weibchen tragen die Jungen wie ein irdisches Säugetier in ihrem Körper aus. Pro Wurf kommen ein bis vier Junge zur Welt, die nach der Geburt bereits kleinere Sprünge ausführen können, aber meist in der Nähe ihrer Eltern bleiben.


Solche Aliens sind in einer Geschichte sicherlich nicht so leicht als Sympathieträger zu akzeptieren wie Mr. Spock oder Seven of Nine. Sie bieten jedoch viel mehr erzählerischen Freiraum!

Vielleicht ist die Natur auf anderen Planeten jedoch noch wesentlich einfallsreicher! Möglicherweise existieren dort noch nicht mal die auf der Erde vertretenen Organismenreiche - Tiere, Pflanzen, Pilze, Einzeller und Kernlose - sondern völlig fremdartige Formen, die überhaupt nicht in die irdische Kladistik passen. Wie wäre es mit quadratkilometergroßen, intelligenten Schleimpilzkulturen, die im Radiowellenbereich sehen und kommunizieren (um damit eine praktische Auflösung zu erreichen, sind in der Tat Sinnesorgane von kilometerweiter Ausdehnung nötig)? Als Manipulatoren dienen freischwebende, mit Wasserstoff gefüllte "Flugquallen", die Objekte mit ihren Tentakeln handhaben können und mit Radiowellen gesteuert werden. Oder mit Planktonwolken in einem globalen Ozean auf einer "Super-Erde", in denen sich die einzelnen, primitiven Individuen mit externen Nervenfäden zusammenschalten und so zu einem hochintelligenten Schwarmgehirn werden? Oder - wie Carl Sagan und Arthur C. Clarke vorschlugen - mit fliegenden Walen in der Atmosphäre eines Gasriesen?

Allein auf der Erde existieren Lebewesen, die so unterschiedlich sind/waren wie Anomalocaris, Halluzigenia, der Tyrannosaurus Rex, ein Fliegenpilz, eine Fichte, ein Känguruh, ein Quastenflosser oder ein Mensch. Und sie alle sind enger miteinander verwandt als Lebensformen, die auf unterschiedlichen Planeten entstanden sind!


Der Quastenflosser - unser allernächster Verwandter (unter
dem Gesichtspunkt der Exobiologie!)


Möglicherweise kann sogar Leben auf ganz anderer physikalischer Basis als das Kohlenstoffleben auf der Erde existieren. Oft wird Silizium als Basiselement vorgeschlagen, da es auch vier kovalente Bindungen ausbildet. Dies gilt jedoch als unwahrscheinlich, da es viel zu langsam reagiert (ein Liebesakt zwischen einem Silizium-Paar würde länger dauern als die Zeit vom Urknall bis heute). Aber vielleicht sind noch nicht einmal herkömmliche Moleküle nötig, um komplexe, reproduktionsfähige Informationen zu speichern. Es existieren andere physikalische Systeme, die ebenfalls eine hohe Komplexität (und damit Informationsdichte) erreichen: Plasma-Konvektionszellen in Sternhüllen könnten sich, von Magnetfeldern zusammengehalten, zu komplizierten Systemen organisieren. In Tümpeln aus flüssigem Helium könnten natürliche, elektronische Lebensformen entstehen. Vielleicht existiert sogar extrem exotisches Leben, das aus Kernmaterie in Neutronensternen aufgebaut ist.


Außerirdisches Wesen aus dem Film "Forbidden Planet" (1956)


Wir haben erst einen mikroskopischen Anteil des Kosmos aus der Nähe untersucht. Höchstwahrscheinlich lebt und gedeiht in den Abgründen des Universums allerlei, was unsere kühnsten Phantasien übertrifft.

Wenn dem aber so ist, dann sollte man sich Enrico Fermis Frage erneut stellen: Wo sind sie? Wieso haben sich noch keine Außerirdischen bei uns gemeldet? Um diese Frage soll es im zweiten Teil dieses Beitrags gehen.


Weblinks

Astrobiologie-Seite der NASA

Exozoo - ein Astrobiologie-Blog

Astrobiologie in David Darlings Enzyklopädie

Alternative Formen des Lebens

Aliens auf Winchell Chungs "Atomic Rockets"-Webseite

Montag, 6. Juni 2011

Feminismus - ja bitte! (aber richtig!)

Wisst ihr, was ich schon immer an Alice Schwarzer bewundert habe?

- NICHTS.

In den letzten Tagen war viel von EHEC die Rede, und welches Gemüse man nicht mehr essen dürfe. Währenddessen wurde das Internet jedoch von einer Art Argumentationsschnupfen infiziert, der zwar an sich nicht gefährlich, aber von Symptomen begleitet ist, die sich im Extremfall negativ auf die Lebensqualität von Internetnutzern auswirken können. Es handelt sich um die Genderdebattitis, auch bekannt als Schwarzer-Syndrom. Diese Krankheit bringt arglose Netzbürger dazu, in Diskussionsforen, Chats und ähnlichen Einrichtungen in epischer Breite "Genderdebatten" zu führen: War die Emanzipation sinnvoll? Ist die Frauenrechtsbewegung über ihre Ziele hinausgeschossen? Oder muss sie noch radikaler werden? Sind heutzutage Männer das eigentlich benachteiligte Geschlecht? Brauchen wir eine Männerrechtsbewegung? Über diese und ähnliche Fragen führen die Infizierten ausufernde, immer emotionaler und verbitterter werdende Online- (und zuweilen auch RL)-Debatten.

Experten vermuten, dass das Genderdebattitis-Virus während des Kachelmann-Prozesses durch Mutation aus einem harmlosen Schnupfenerreger entstand. Als Mutagen wirkte wahrscheinlich die vergiftete Atmosphäre, die Frau Schwarzer während ihres Wetterfrosch-Bashings freisetzte.

Eines ist klar: Die Emanzipation der Frauen war eine gute, längst überfällige Sache - über Jahrtausende wurden Frauen in vielen Kulturen bestenfalls als Bürger zweiter Klasse angesehen. Dass sie nun gleichberechtigt Zugang zu Bildung, Berufen und politischen Ämtern haben, gehört zu den großen Leistungen des 20. Jahrhunderts.

Doch nun würde Alice Schwarzer sagen: "Das war erst der Anfang. Die Emanzipation ist noch längst nicht am Ziel." Hiermit hätte sie sogar Recht. Doch worin besteht dass Ziel, das die Emanzipation noch nicht erreicht hat? In gleichen Löhnen in allen Bereichen? Darin, dass Frauen genauso häufig wie Männer Führungspositionen in Forschung und Industrie einnehmen sollen? Das scheint nicht zu sein, was Frau Schwarzer primär vorschwebt. Stattdessen sollen Erotikfilme verboten, Bikinimodels auf Werbeplakaten abgeschafft und jegliche Darstellung, die erotische Attribute des weiblichen Körpers in den Vordergrund rückt, unterbunden werden. Mit anderen Worten: Männer sollen aufhören, an Frauen sexuelles Interesse zu zeigen.

Das ist zum einen aus biologischen Gründen nicht möglich.

Zum anderen fragt man sich, wie weit es mit der Emanzipation her ist, wenn Frauen angeblich so schwach sind, dass sie es nicht aushalten, wenn Männer dazu stehen, dass sie einen weiblichen Körper anziehend finden.

Natürlich: Dass Frauen nicht ausschließlich für ihre Körper geschätzt werden wollen, ist völlig verständlich. Dies lässt sich jedoch nicht erreichen, indem man Männern verbietet, sich an Darstellungen des weiblichen Körpers zu erfreuen (oder soll man etwa auch Francesco Goyas "Nackte Maya" aus dem Museum verbannen??), sondern indem man Frauen dazu animiert, etwas Besonderes, Bewundernswertes zu Gesellschaft und Kultur beizutragen.

Genau das tut Alice Schwarzer nicht. Aus ihrer Sicht scheint Emanzipation nur aus "Fordern" zu bestehen. Die Männer müssen... Die Männer sollen... Dass jedoch Frauen nicht nur Chancen einfordern, sondern diese auch ergreifen müssen, kommt ihr nicht in den Sinn.

Barbie ist da schon weiter: Letztes Jahr beschloss Mattel - als Ergebnis einer Internetabstimmung - der umfangreichen Berufsliste der mageren Blondine Computeringenieurin hinzuzufügen. Die angestrebten Forschungsbereiche hören sich zwar noch verdächtig hausfrauenlastig an (Optimierung der häuslichen Energieeffizienz, Überwachunsgeräte für Neugeborene), aber es ist schon mal ein Schritt in die richtige Richtung.

Schon lange vor der Zeit Alice Schwarzers gab es Frauen, die im Gegensatz zu ihr ihr Leben nicht der undifferenzierten Bekämpfung von Männern gewidmet haben, sondern die sich aus eigenem Interesse traditionell männlich dominierte Felder zu eigen gemacht und darin Herausragendes geleistet haben: Emanzipation durch Aktivität statt durch passiv-aggressives Verhalten.

Hypathia, Maria Sibylla Merian, Marie Curie, Emmy Noether - aus dem Stehgreif fallen mir zahlreiche Wissenschaftlerinnen ein, die oftmals gegen beträchtlichen Widerstand ihrer mehrheitlich männlichen Kollegen wichtige Entdeckungen gemacht und sich selbst Ehrenplätze in der Kulturgeschichte der Menschheit gesichert haben. Ich möchte hier nur zwei herausgreifen, die gut in den Rahmen des Neil Brainstrong Magazines passen.

Das NBM erforscht die Zukunft der Menschheit, und die Zukunft hält für uns noch das größte Abenteuer überhaupt bereit: Kontakt mit einer außerirdischen Zivilisation! Die amerikanische Astronomin Jill Tarter (geb. 1944) gehört zu den Wissenschaftlern, die sich ernsthaft Gedanken darüber machen, wie man dieses Abenteuer in Angriff nehmen könnte: Sie ist Direktorin des SETI-Instituts (SETI = Search for extraterrestrial intelligence) und hat zahlreiche Arbeiten über die Suche nach außerirdischem Leben veröffentlicht. Nebenher macht sie sich für guten wissenschaftlichen Unterricht und die Vermittlung und Popularisierung wissenschaftlicher Erkenntnisse stark.


"Understanding our place in the cosmos is
the next step in the Copernican revolution"


Kaum eine Entdeckung würde sich so einschneidend auf die menschliche Kultur auswirken wie der Empfang von Signalen einer anderen Zivilisation. Möglicherweise würde dies eine Art "kulturelle Singularität" auslösen - mit Singularität ist hier ein Ereignis gemeint, nach dem "nichts mehr so ist, wie es einmal war". Unsere komplette Weltwahrnehmung würde dadurch von Grund auf umgekrempelt. Die Arbeiten von Jill Tarter kann man daher von ihrer Bedeutung her gar nicht hoch genug einschätzen.

Zweitens ist das NBM ein Onlinemagazin. Das bedeutet, dass es ohne Ada Lovelace vielleicht gar nicht existieren würde. Ada Lovelace (1815 - 1852) war die Tochter des bekannten Dichters Lord Byron. Schon als Kind zeigte sich ihre herausragende mathematische Begabung. Augustus De Morgan, einer ihrer Hauslehrer, vermutete, sie würde "eine bedeutende mathematische Forscherin, möglicherweise eine erstklassige Eminenz" werden. Was er nicht vermutete, war, dass eine ihrer Arbeiten die Grundzüge einer Technologie vorwegnehmen würde, die 150 Jahre später den Planeten dominieren sollte: Sie entwickelte das erste Computerprogramm - eine Folge diskreter Rechenanweisungen für Charles Babbages "Analytical Engine", einen programmierbaren mechanischen Computer, der allerdings nie gebaut wurde (1991 ließ das London Science Museum eine einfachere Konstruktion von Babbage, die Difference Engine, konstruieren, nur unter Verwendung von Materialien und Techniken, die zu seiner Zeit zu Verfügung standen, und 2010 startete der Programmierer John Graham Cumming eine Kampagne, um eine komplette Analytical Engine zu bauen). Ada Lovelace verfasste Anmerkungen zu einem Vortrag von Babbage, die eine komplette Beschreibung von Computern und Software enthalten - Konzepte, die in den letzten Jahrzehnten unser gesamtes Leben verwandelt haben und die wir inzwischen tagtäglich nutzen. Auch die Suche nach außerirdischen Signalen ist ohne Computer nicht vorstellbar.



Sie hatte nicht nur Stil, sondern auch Hirn!
Seit 2009 wird übrigens jährlich der Ada-Lovelace-Day gefeiert,
zur Ehrung von Frauen in Wissenschaft und Technik. Dieses
Jahr fällt er auf den 7. Oktober.


Wenn man bedenkt, dass immer noch sehr wenige Frauen in der Forschung arbeiten, diejenigen, die es tun, aber oft hervorragende Entdeckungen machen, wird einem klar, was für ein gigantische Potential hier noch schlummert! Für den Aufbruch in die Zukunft benötigen wir exzellente, kreative Wissenschaftler - und 49 % der Menschheit haben bislang noch kaum ihre diesbezüglichen Fähigkeiten eingesetzt. Wir sollten Frauen dazu animieren, in die Forschung zu gehen, denn wir brauchen geniale Köpfe wie Ada Lovelace, Marie Curie, Lise Meitner oder Jill Tarter - aber keine verkniffen vor sich hin schimpfenden Strickstrumpfemanzen, deren hauptsächliche Fähigkeit darin besteht, in der "BILD" gegen ehemalige Wettermoderatoren zu hetzen.

Freitag, 3. Juni 2011

Mit dem BGE Schritt um Schritt zur Trekonomy

Wozu benötigen wir Geld? Ich bin kein Ökonom, und möchte versuchen, diese Frage "aus dem Bauch heraus" zu beantworten. Es dient in unserer Gesellschaft im wesentlichen als Bindemittel zwischen Arbeit und Waren bzw. Dienstleistungen. Das Recht zu Konsumieren - ja überhaupt erst das Recht auf eine halbwegs materiell erträgliche Existenz - ist an persönliche Erwerbsarbeitsleistung geknüpft: Für bezahlte Tätigkeiten erhält man ein gewisses Gehalt, dass man - quasi als eine Art Gutschein - bei einem Anbieter gegen Waren und Dienstleistungen eintauschen kann. Diese werden durch die Arbeistleistungen anderer Menschen hervorgebracht, man könnte also präziser sagen: durch eigene Arbeit erhält man das Recht, Arbeitsleistungen anderer in Anspruch zu nehmen.

Diesem Prinzip liegt natürlich ein gewisses Misstrauen zugrunde. Man darf erst dann die Leistungen anderer nutzen, wenn man selbst welche erbracht hat - denn man könnte ja auf den Gedanken kommen, sie in Anspruch zu nehmen, ohne selbst etwas zu tun! Wenn dies die Mehrheit täte, würde die Gesellschaft zusammenbrechen! Diese Befürchtungen sollen durch ein Lohn- und Bezahlungssystem aufgefangen werden: Mit eigener Arbeit erwirbt man "Gutscheine", die es einem ermöglichen, von der Arbeit anderer zu profitieren.

Schon öfters ist der Verdacht aufgetaucht, dass dieses Misstrauen gegenüber der Mehrheit der Menschen unbegründet oder zumindest überzogen sei. In den 1960ern und 70ern experimentierten die Hippies in ihren Kommunen gerne mit nichtmonetären Modellen. Sie sollten sich, wie die frühmittelalterlichen Gesellschaften in Europa oder manche Naturvölker, auf Tauschhandel gründen - und damit zumindest den Zwischenschritt "Zahlungsmittel" zwischen der Arbeit des einen und des anderen ausschalten - oder sogar auf freiwilligen Geschenken beruhen.

Man kann diese Experimente natürlich als naiv belächeln, und den Hippies vorwerfen, ihre Kommunen hätten sowieso nur funktioniert, weil sie eine hochentwickelte, industrielle Gesellschaft außen um sich herum hatten, die alle Annehmlichkeiten des modernen Lebens bereit stellte. Psychedelisch bemalte VW-Busse mussten in kapitalistisch organisierten Fabriken hergestellt werden, genauso wie das Glas, aus dem die Bong bestand oder die T-Shirts, die mit Batikfarbe veredelt wurden. Die meisten Menschen würden heutzutage argumentieren, dass eine organisierte Gesellschaft mit hohem Lebensstandard nur mithilfe eines Bezahlungssystems möglich ist, und darauf verweisen, dass wahrscheinlich seit der Frühantike die breite Mehrheit der komplexeren Gemeinwesen irgendeine Form von Geld verwendet hat.

Drehen wir das Problem aber einmal um - unter welchen Bedingungen wäre Geld unnötig? Genau dann, wenn das oben genannte Misstrauen keine Basis hätte: wenn man sich darauf verlassen könnte, dass jeder freiwillig ausreichend arbeitet, um die Gesellschaft "in Schwung" zu halten.

Bezüglich mancher Tätigkeiten kann man sich diesbezüglich pessimistisch fühlen: Niemand arbeitet freiwillig untertage in eine Kohlemine, auf einer Müllkippe, in einem Abwasserkanalsystem oder als Reinigungskraft auf einer Bahnhofstoilette. Dank der Erfindung des Computers sind wir jedoch in immer höherem Maße in der Lage, solche Tätigkeiten geeigneten Maschinen und Robotern zu übertragen. Heutzutage arbeiten bereits ganze Fertigungsstraßen in Fabriken unbemannt. In Frankreich existieren schon seit den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts öffentliche Toiletten, die über einen vollautomatischen Reinigungsmechanismus verfügen. In Italien wurden Müllentsorgungsautomaten getestet. Der bekannte Roboter Roomba putzt eigentätig eine ganze Wohnung und es wurde schon erfolgreich mit computergesteuerten U-Bahn-Zügen experimentiert. Auch unbemannte Flugzeuge - sogenannte Drohnen - sind längst Realität, wenn auch bislang leider fast ausschließlich im militärischen Bereich.



In dieser Fabrikhalle von BMW sucht man menschliche
Arbeiter vergebens.


Die Behauptung, Roboter würden mehr Arbeitsplätze schaffen als ersetzen, hat sich als falsch herausgestellt. Immer mehr Aufgaben können ohne menschliches Eingreifen erledigt werden, mit rasch steigender Tendenz. Diese Aussicht ist für viele sehr negativ belegt - sie assoziiert Massenarbeitslosigkeit. Wer diese fürchtet, vergisst jedoch, dass Arbeitslosigkeit nur solange eine Bedrohung ist, wie sie mit Mangel und sozialer Stigmatisierung verbunden ist. Das "Problem Arbeitslosigkeit" würde durch ein bedingungsloses Grundeinkommen in einen Glücksfall umgewandelt. Wenn man von der Wiege bis zur Bahre ohne Wenn und Aber immer genug Geld zur Verfügung hat um zu leben und in gewissem Maß am sozialen Leben teilnehmen zu können, dann ist der Verlust eines unangenehmen, stumpfsinnigen Arbeitsplatzes gradezu das beste, was einem passieren kann.

Man kann aber, wenn man möchte, noch einen Schritt weiter denken. Was, wenn der Automatisierungsgrad so weit gestiegen, und das Energieversorgungsproblem durch neue Techniken - sei es verbesserte Kernspaltung, Kernfusion oder Solarenergie - neutralisiert ist, dass nahezu alle Tätigkeiten, die mechanisch, unkreativ oder einfach unangenehm sind und daher von Menschen nicht freiwillig erledigt werden, durch Roboter vollbracht werden können? Das oben genannte Misstrauensproblem wäre dann irrelevant - von diesem Augenblick an wäre Geld überflüssig!

Science-Fiction-Fans nennen eine solche nichtmonetäre Gesellschaft zuweilen "Trekonomy" - eingedenk der bekannten "Star Trek"-Fernsehserien und -Filme, in denen das interstellare Staatswesen "United Federation of Planets" kein Geld verwendet, und in dem Arbeit freiwillig ist. In der "Next Generation"-Episode "The Neutral Zone" erklärt Captain Picard einem Mann aus dem 20. Jahrhundert:

"A lot has changed in three hundred years. People are no longer obsessed with the accumulation of 'things'. We have eliminated hunger, want, the need for possessions."

Und in dem Kinofilm "First Contact":

"The economics of the future is somewhat different. You see, money doesn't exist in the 24th century... The acquisition of wealth is no longer the driving force in our lives. We work to better ourselves and the rest of humanity."


Captain Picards Crew arbeitet auf der Enterprise,
ohne je einen Gehaltsscheck zu sehen.


Kaum jemand würde bestreiten, dass eine solche Gesellschaft ein erstrebenswertes Ziel darstellt. Im "Star Trek"-Universum musste es jedoch erst einen "großen Knall" - den dritten Weltkrieg - geben. Man sollte sich fragen, ob es nicht einen sanfteren, humaneren Weg dorthin gibt - einen, der weder auf gewalttätiger Umstrukturierung der Gesellschaft (wie sie die klassischen Marxisten anstreben) beruht, noch massenhafte Verelendung (die weit verbreiteten Befürchtungen zufolge durch Steigerung des Automatisierungsgrades ausgelöst wird) in Kauf nimmt. Die plausibelste Lösung scheint mir das bedingungslose Grundeinkommen zu sein: Wenn für alle bedingungslos gesorgt ist, kann man guten Gewissens Roboter und Künstliche Intelligenz entwickeln, da man nicht fürchten muss, dass diese Technologien jemanden seiner Existenzgrundlage berauben könnten. Sind die Maschinen dann irgendwann - sei es in 20, 50, 100 oder 200 Jahren - so ausgereift, dass sie jeden Beruf ersetzen können, den Menschen nicht freiwillig ausüben möchten, dann wird das Konzept Geld zum Auslaufmodell: Der Slogan der Kommunisten "alles für alle und zwar umsonst" ließe sich realisieren - jedoch ohne Revolution, Diktatur, Planwirtschaft, Zwang und Überwachung!

Die Menschheit wäre von der Geißel Arbeit - genauer: von der Geißel "unangenehme Arbeit" - endgültig befreit. Sie hätte endlich ausreichend Zeit und Muße, um ihr eigentliches kreatives Potential zu entfalten.