Donnerstag, 28. April 2011

Warum ich Atheist bin

Es ist einige Jahre her, dass ich ein gewisses Interesse am katholischen Glauben verspürte. Das lag daran, dass ich mich - mehr oder weniger neugierdehalber - einige Male mit der katholischen Studentengemeinde (KSG) Jena getroffen hatte, und mir die Atmosphäre dort irgendwie gefiel. Sie strahlte eine Ruhe und Herzlichkeit aus, die etwas Anziehendes hatte. Ich machte einige Unternehmungen und Ausflüge der KSG mit. Vor allem die Art der katholischen Studenten, miteinander umzugehen, gefiel mir: Sie war von Höflichkeit und gegenseitiger Rücksichtnahme geprägt, was mir im zwischenmenschlichen Umgang sehr wichtig ist.

Ich begann darüber nachzudenken, ob nicht der katholische Glaube etwas für mich sein könnte. Ich war zwar protestantisch getauft worden, aber bislang nie an irgendwelchen christlichen Aktivitäten beteiligt gewesen. Vielleicht sollte ich es mal mit Jahve versuchen.

Ein Student aus der KSG sagte mir, an einem Abend in Erfurt sei in einer dortigen Kirche eine sogenannte "Nightfever-Veranstaltung", bei der man beten und mit dem Pfarrer reden könne. Dort ging ich hin, und erzählte dem Geistlichen, dass ich gerne dem katholischen Glauben beitreten würde. Der gute Mann war natürlich hellauf begeistert. Er erklärte, die Menschheit habe sich früher einmal von Gott losgesagt, und verspüre seitdem den Wunsch, zu ihm zurückzukehren. Alle Religionen der Welt seien diesbezügliche Versuche, aber nur mit dem Christentum (ich erinnere mich nicht, ob er das auf das katholische Christentum präzisierte) sei eine vollständige Rückkehr zu Gott möglich.

Muss ich erwähnen, dass ich mein Großhirn auf Standby schalten musste, um diese Geschichte zu schlucken?

Schließlich drückte mir der Pfarrer eine Broschüre über den christlichen Glauben in die Hand und riet mir, einen Glaubenskurs mitzumachen. Mit gemischten Gefühlen ging ich von dannen.

Auf dem erfurter Bahnhof las ich mir die Broschüre durch. Die eine Hälfte meines Gehirns grübelte, ob das Traktat für Kleinkinder oder für Erwachsene mit zweistelligem Intelligenzkoeffizienten geschrieben worden sei. Die andere versuchte, sich einen Reim darauf zu machen. Da stand, ohne Gott sei das Leben völlig sinnlos. Mein bisheriges Leben erschien mir jedoch alles andere als sinnlos gewesen zu sein! Es wurde erwähnt, der reichste Mann der Welt habe sich erst glücklich gefühlt, nachdem er Gott gefunden habe. Nun ja, Geld ist wohl nun wirklich nicht alles. Aber benötigt man, um einen Sinn im Leben zu finden, denn unbedingt Gott? Was ist mit den Buddhisten? Sehen die keinen Sinn im Leben? Was ist mit Goethe, der als Pantheist Gott in allem zu erkennen glaubte, und daher wohl auch nicht dem "persönlichen" Gott der Christen anhing? Bestimmt sah Goethe einen Sinn im Leben. Einstein wiederholte öfters, dass er sehr weit davon entfernt sei, an einen persönlichen Gott zu glauben, und er hielt sein Leben bestimmt nicht für sinnlos. Überhaupt, es gab doch genug Atheisten, die ihr Dasein in vollen Zügen genossen! Wie konnten Christen sich zu der Vorstellung versteigen, allein ihr Gott sei sinnstiftend, und alle anderen Ansichten hinterließen ein "Loch in der Seele". (In der Broschüre war eine "tolle" Zeichnung enthalten, die das bildlich darstellte.)

Als ich in den Regionalzug nach Jena einstieg, warf ich einen Blick aus dem Fenster. Gerade ging der Vollmond auf. Groß und rot stand er dicht über dem Osthorizont. Da draußen - der Trabant der Erde. Der fernste Ort, den Menschen je erreicht haben. Und dahinter fängt der Kosmos erst an... der Kosmos, den wir mit unserem Verstand begreifen können! Der Kosmos, die Himmelskörper, Sterne, Planeten, Monde - das war doch etwas Großartiges! Etwas viel Großartigeres, als ein Mann, der sterben musste, weil der erste Mensch Appetit auf einen Apfel verspürt hatte. Und vor allem: Das Universum existiert wirklich! Adam und Eva hat es jedoch nie gegeben. Es gab keinen ersten Menschen, nur affenartige Vorformen, aus denen sich der moderne Mensch durch Naturprozesse entwickelt hat.

Jahve, der alte, sauertöpfische Gott der Bibel, war eine banale Erfindung, ein Schauermärchen für Kinder... die Tatsache, dass wir die Naturgesetze durch Forschen und Denken entschlüsseln können, das ist das wirklich Wunderbare! Das ist das, was das "existentielle Loch in der Seele" auszufüllen vermag!

Die christliche Broschüre wanderte in einen Papierkorb.

Den Glaubenskurs habe sogar noch besucht, wenn auch eher aus kulturhistorischem als aus religiösem Interesse. Ich verlor die Lust daran, als der Kaplan, der den Kurs leitete, mir auf die Frage, ob man sich den Sündenfall als historisches Ereignis zu denken habe und wann das gewesen sein solle, keine vernünftige Antwort zu geben vermochte. Außerdem fing ich zu dieser Zeit mit einem Tanzkurs an, der am gleichen Abend wie der Glaubenskurs stattfand, und da wußte ich sofort, welcher Veranstaltung ich den Vorzug geben sollte.

Was die KSG'ler anbelangt - ich mag sie immer noch, als Menschen. An ihrem Glauben habe ich keinerlei Interesse, und das wissen sie und akzeptieren es auch.

Inhaltlich stimme ich Richard Dawkins zu: Als Erwachsener einen unsichtbaren Freund zu haben ist außerordentlich bizarr. Und wenn man sich von diesem unsichtbaren Freund dazu verleiten lässt, den Menschen in der dritten Welt zu erzählen, sie kämen in die Hölle, wenn sie Kondome verwenden, das ist fast schon kriminell. Dawkins Vorgehensweise gegen die Religionen halte ich jedoch für undurchdacht. Den Christen andauernd vorzuhalten, wie absurd, rückständig und sozial schädlich ihr Glauben sei, wird sie ganz sicher nicht dazu bringen, sich einer rationaleren Auffassung anzuschließen. Auch könnten solche Aussagen sehr verletzend für sie sein. Daher sollten wir Atheisten lieber mit positivem Beispiel vorangehen! Wir sollten durch unser eigenes Leben zeigen, dass man "gottlos glücklich" sein kann, dass man keinen unsichtbaren Freund benötigt, um ein erfülltes, fröhliches und moralisches Leben zu führen. Wenn die Christen das sehen, werden sie zumindest merken, dass ihre Religion nicht das non plus ultra ist.

Und schließlich ist es auch kein guter Einfall, die Menschen um jeden Preis zum Atheismus "bekehren" zu wollen. Christen können schließlich, wie schon gesagt, nette, vernünftige Menschen sein. Wenn sie unbedingt an ihren nichtexistenten Übervater glauben wollen - man kann es ihnen nicht nehmen.

Auf einem ganz anderen Blatt stehen natürlich Mißbrauchsfälle in katholischen Internaten, die Anti-Verhütungs-Propaganda des Vatikans, die Auffassung, eine befruchtete Zygote sei moralisch mit einem fertig entwickelten Menschen gleichzusetzen, sowie Personen, die fordern, der christliche Schöpfungsmythos sei als "wissenschaftliche Theorie" an den Schulen zu lehren. Gegen diese Mißstände und Absurditäten muß aktiv vorgegangen werden!

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