Donnerstag, 1. September 2011

Ein Diamant, trilliardenmal so groß wie das Ritz!

So schön sie anzusehen sind - Diamanten sind nichts als vulgärer Kohlenstoff. Allerdings sind die Kohlenstoffatome in ihnen auf besondere Art angeordnet! Im Gegensatz zu Graphit, in dem die Atome zu flächigen Strukturen verbunden sind, bilden sie in Diamant eine dreidimensionale Kristallstruktur. Jedes Atom ist mit vier weiteren kovalent verbunden, so dass diese ein Tetraeder bilden - eine regelmäßige, vierflächige Pyramide mit gleichseitigen Dreiecken als Seitenflächen. Einen solchen Kristall kann man sich als Kombination zweier kubisch-flächenzentrierter Gitter (Würfelstruktur mit Atomen an den Ecken und in der Mitte jeder Seitenfläche) denken, die gegeneinander versetzt sind. Es existieren auch seltenere, meist nur künstlich erzeugbare Kohlenstoffformen, wie der amorphe Kohlenstoff, in dem die Atome unregelmäßig angeordnet sind, das Fulleren, in dem sie fußballartige Polyeder bilden, oder die Kohlenstoff-Nanoröhren.

Gewöhnliche Kohle oder Ruß besteht aus vielen kleinen, zufällig zusammengelagerten Graphitpartikeln.




Die Kristallstruktur des Diamanten.
Obwohl es sich um identische Kohlenstoffatome handelt,
sind einige grün gefärbt, damit man besser sehen kann,
wie sie mit den Nachbaratomen tetraedrisch verbunden sind.


Diamanten entstehen aus normalem Kohlenstoff, wenn hohe Drücke auf diesen einwirken, zum Beispiel im Erdmantel bei einer Tiefe von ca. 150 km, oder bei Meteoriteneinschlägen. Dabei bilden sich aus Kohlenstoffvorkommen in Gesteinen kleinere Diamanten, die durch vulkanische Prozesse an die Erdoberfläche gebracht werden. Kohlenstoff ist nur ein Spurenelement im Erdmantel, der vorwiegend aus Silizium und Metallen besteht. Es existieren aber Himmelskörper, die fast ausschließlich aus Kohlenstoff zusammengesetzt sind.

Wie wir in einem früheren Artikel besprochen haben, erzeugen Sterne ihre Energie, indem sie Atomkerne bei hohen Drücken und Temperaturen in ihrem Inneren miteinander verschmelzen. Zunächst, während der längsten Zeit ihres Lebens, verbrennen sie Wasserstoff zu Helium. Irgendwann hat sich im Sternenkern jedoch soviel Helium angereichert, dass die Fusion nicht mehr effizient ablaufen kann und erlischt. Der Kern schrumpft dann, bis er so stark zusammengepresst ist, wie es nach den Gesetzen der Quantenmechanik maximal geht: Man sagt, er ist "entartet". Dichte und Temperatur wachsen so lange, bis außen um den Kern herum die Wasserstofffusion in einer Schalenbrennzone zündet. Diese bläht durch die freigesetzte Energie den Rest des Sterns zu einem kühlen, roten Riesen auf. Sein Radius vertausendfacht sich dabei. Diese Phase währt jedoch nicht lange. Aus der Schalenbrennzone regnet Helium auf den entarteten Kern herab, bis dieser heiß und dicht genug geworden ist, dass die nächste Brennphase beginnen kann: Die Fusion von Helium zu Kohlenstoff. Eine Zeitlang verbrennt der Stern nun Helium im Kern und Wasserstoff in einer Schale außen herum. Er schrumpft dabei wieder leicht und wird heißer. Schließlich kommt auch das Heliumbrennen im Kern zum erliegen. Er besteht nun vorwiegend aus Kohlenstoff (und etwas Sauerstoff) und zieht sich wieder zu entarteter Materie zusammen, und um ihn herum zünden zwei Brennschalen übereinander: Innen eine Helium-Brennschale, außen eine Wasserstoff-Brennschale. Diese setzen soviel Energie frei, dass der Stern sich noch stärker aufbläht als während der Rote-Riesen-Phase. Die Sonne wird gegen Ende ihrer Existenz beinahe die Erdbahn berühren! Kleine und mittelschwere Sterne wie unsere Sonne beginnen nun ihre äußeren Schichten langsam abzuwerfen. Ein schöner planetarischer Nebel entsteht. Da durch Konvektion auch Kohlenstoff aus dem Kern heraufgeholt wurde, wird eine gewaltige Menge feiner Rußpartikel freigesetzt. Das hört sich nicht sehr gesund an, ist jedoch ein unabdingbarer Prozess für die Entstehung von Leben wie wir es kennen, da das biologische Grundelement Kohlenstoff dadurch zurück ins All gelangt.

Im Zentrum bleibt der kleine entartete Kohlenstoffkern übrig, den man Weißer Zwerg nennt. Dieser ist zwar aufgrund seiner gespeicherten Wärme noch sehr heiß, er produziert jedoch keine Energie mehr nach, da die Fusion in ihm endgültig erloschen ist. Er kühlt ganz langsam, im Laufe von Jahrmilliarden, aus, bis er zuguterletzt zum unsichtbaren Schwarzen Zwerg geworden ist. Da der Abkühlungsprozess extrem langsam verläuft, haben sich bisher im Universum noch keine Schwarzen Zwerge gebildet.

Obwohl Weiße Zwerge Massen ähnlich der der Sonne haben, sind sie, aufgrund ihrer extremen Dichte, die mehrere Tonnen pro Kubikzentimeter erreichen kann, nicht größer als die Erde. Massereichere Weiße Zwerge sind überraschenderweise kleiner als massearme, da der Schweredruck sie stärker zusammenpresst.

Sternen mit größerer Masse ist ein dramatischeres Schicksal vorbehalten. In ihnen bilden sich noch weitere Brennschalen aus, die sukzessive immer schwerere Elemente erbrüten, bis hin zum Eisen. Dort angekommen, kann keine weitere Fusion unter Energiegewinn mehr ablaufen. Der Stern wird von einer Supernova zerrissen, bei der explosionsartig auch schwerere Elemente über das Eisen hinaus entstehen und ins All fortgeschleudert werden. Der Kern stürzt unter seiner eigenen Gravitation in sich zusammen, wobei er sich in ein sehr merkwürdiges Objekt verwandelt: Entweder in einen Neutronenstern - eine rund 30 km große Kugel aus Neutronen - oder, bei noch massiveren Sternen, in ein Schwarzes Loch.

Je größer die Sternmasse ist, desto kurzlebiger ist der Stern: Bei sonnenähnlichen Sternen dauert die Entwicklung bis zum Weißen Zwerg rund zehn Milliarden Jahre, bei massereichen verstreichen nur einige zehn Millionen bis zur Supernovaexplosion. Sehr kleine Sterne mit nur ca. 0.1 Sonnenmasse verbrennen einige Billionen Jahre lang ganz allmählich den Wasserstoff in ihren Kernen, bis sie unspektakulär verlöschen.



Lebenslauf eines durchschnittlichen und eines massereichen Sterns (vereinfacht).


Ein weißer Zwerg besteht nun vorwiegend aus Kohlenstoff - und wegen seiner hohen Dichte lastet auf diesem ein enormer Schweredruck. Was passiert wenn Kohlenstoff enormen Drücken ausgesetzt ist? Genau, er kristallisiert in eine diamantartige Form! In den 1960ern wurde zum ersten Mal vermutet, dass Weiße Zwerge riesige Diamanten sein könnten. Doch wie ließe sich das nachprüfen? Sterne vibrieren innerlich, was sich durch Helligkeitsänderungen und Verschiebungen der Linien in ihren Spektren bemerkbar macht. Untersuchung der Schwingungen lässt indirekte Schlüsse auf die physikalischen Bedingungen in ihrem Inneren zu, ähnlich wie Seismologen aus tektonischen Erschütterungen auf die Struktur des Erdinneren schließen können. Daher nennt man die Untersuchung von Sternschwingungen auch Astroseismologie.

Im Jahr 2004 schlossen Antonio Kanaan und sein Team aus astroseismologischen Daten, dass der 50 Lichtjahre entfernte Weiße Zwerg BPM 37093 im Sternbild Zentaur zu rund 90% innerlich kristallisiert ist - ein Diamant von 1.1 Sonnenmassen! Das lässt den wertvollsten Diamanten auf der Erde, den Cullinan-Diamanten (3106.75 Karat ~ 621.35 g), im Vergleich äußerst mickrig erscheinen.


Kleinkram...


Kristallisierte Weiße Zwerge weisen allerdings nicht die kubisch-flächenzentrierte Kristallstruktur von irdischen Diamanten auf, sondern eine kubisch-raumzentrierte: Je ein Atomkern sitzt im Zentrum eines gedachten Würfels, dessen Ecken von je einem weiteren Kern gebildet werden. Zwischen den Kernen befindet sich eine Flüssigkeit aus entarteten Elektronen, deren Eigenschaften denen von Leitungselektronen in Metallen ähneln.


Kubisch-raumzentrierter Kristall


Ein noch merkwürdigeres Objekt ist PSR J1719-1438 b, das erst kürzlich, am 25.8.2011 entdeckt wurde. Es befindet sich in rund 4000 Lichtjahren Entfernung im Sternbild Schlange. Es handelt sich um eine Art Hybrid-Himmelskörper - ursprünglich Weißer Zwerg, inzwischen jedoch umgewandelt in einen Planeten! Wie das Kürzel "PSR" (Pulsating Source of Radio) sagt, umkreist er einen Neutronenstern: Diese wirken nämlich wie Radio-Leuchttürme. Von begrenzten Regionen auf ihrer Oberfläche senden sie intensive Radiostrahlenbündel aus, die durch die schnelle Rotation des Neutronensterns (das Zusammenschrumpfen auf winzige Größe beschleunigt die Rotation der ehemaligen Sternenkerne, ähnlich wie eine Eiskunstläuferin, die die Arme anzieht) rundum durch den Raum schwenken. Überstreicht das Radiobündel dabei die Erde, lassen sich periodische Signale empfangen. Neutronensterne, die sich so beobachten lassen, nennt man daher auch Pulsare.



Skizze eines Pulsars.
Die Radiowellen werden von den Magnetpolen ausgesandt.
Durch die Eigenrotation des Pulsars entsteht der Leuchtturmeffekt.


Manche Pulsare rotieren sogar besonders schnell: nach ihrer typischen Rotationsperiode bezeichnet man sie als Millisekundenpulsare. Zu diesen gehört auch PSR J1719-1438. Die rasche Rotation deutet darauf hin, dass der Pulsar nach der Supernova des Ursprungssterns noch durch äußere Einflüsse beschleunigt wurde. Was könnte das sein? Eine zweite Beobachtung liefert die Antwort. PSR J1719-1438 zeigt leichte Frequenzvariationen in seinen Radiopulsen. Das kann nur daran liegen, dass ein kleinerer Begleiter um ihn herumläuft und ihn periodisch um den gemeinsamen Schwerpunkt herumschleudert. Der Dopplereffekt erzeugt die Frequenzänderungen - zieht der Begleiter den Pulsar von uns weg, sinkt die Frequenz, zieht er ihn auf uns zu, steigt sie.

Der Begleiter muß also den Pulsar früher einmal "angestoßen" haben, um ihn auf die hohe Eigenrotationsfrequenz zu beschleunigen. Es muß Masse von ihm zum Pulsar geströmt sein. Bei dem Begleiter handelte es sich früher um einen normalen Stern, der jedoch masseärmer war als der Vorläuferstern des Pulsars, so dass es dessen explosives Ende überlebte. Irgendwann blähte sich der masseärmere Stern zum Roten Riesen auf. Die Gase von Roten Riesen sind aber nicht sehr stark gravitativ gebunden, zum einen aufgrund des großen Radius' des Sterns - je weiter Materie vom Schwerpunkt entfernt ist, desto schwächer ist die auf sie wirkende Schwerkraft - zum anderen durch den starken Strahlungsdruck. Die Gezeitenkräfte des Pulsars zogen den Roten Riesen auseinander, bis sich Gas von ihm löste und in einer Akkretionsscheibe auf den kleinen Neutronenstern herabstürzte. Das aufprallende Gas beschleunigte den Pulsar, bis er sich mit enormer Geschwindigkeit um sich selbst drehte.


Ein Roter Riese wird von den Gezeitenkräften eines Pulsars
zunächst in die Länge gedehnt. Dann beginnt Material hinüber-
zuströmen. Es bildet eine flache Akkretionsscheibe, in der es dem
Pulsar strudelartig immer näher kommt, bis es auf ihn stürzt.


Fast die gesamte Masse des Sterns wurde vom Pulsar fortgerissen, nur ein vergleichsweise winziger Rest aus Kohlenstoff blieb übrig, der mangels Masse und Fusionsreaktionen nicht mehr als Stern sondern als Planet eingestuft wird. Er hat etwa die Größe des Jupiter, ist aber rund 20 mal dichter. Er dürfte also aus kristallisiertem Kohlenstoff - diamantartigem Material - bestehen. Seine Umlaufbahn verläuft ganz nahe am Pulsar: Ihr Radius ist geringer als der unserer Sonne, und er durchläuft sie in nur 2.17 Stunden!



Eine Zeichnung von PSR J1719-1438.
Der zum Planeten gewordene Weiße Zwerg (die "b"-Komponente)
würde ihn, wenn man die Maßstäbe unseres Sonnensystems anlegt,
innerhalb der Sonne (gelb angedeutet) umlaufen.
Die weißblaue Schlangenlinie stellt die Radioemission des Pulsars dar.


Es gibt Hinweise darauf, dass es auch "normale" Planeten gibt, die ungewöhnlich kohlenstoffreich sind. Der Gasriese WASP-12b weist einen ungewöhnlich hohen Kohlenstoffgehalt in seiner Atmosphäre auf. Falls es in diesem System auch kleinere, erdartige Planeten gibt, so könnten diese aus Kohlenstofffels bestehen: Graphit oder Diamant. Ohne Zweifel würde es dort sehr schöne, aber auch fremdartige Landschaften geben.



Ein fiktiver Diamantplanet aus der TV-Serie "Dr. Who".


Trotz alledem braucht die De Beer-Group nicht zu fürchten, dass der Diamantpreis demnächst ins Bodenlose fällt. Die riesigen kosmischen Diamanten sind weit draußen im All fürs erste sicherer untergebracht als in jedem Tresor...


Weblink:

Das Originalpaper zu PSR J1719-1438b von Bailes et al. (pdf-Format)

6 Kommentare:

  1. Woher weiß man, dass Schwarze Zwerge entstehen werden, wenn im Universum noch gar keine existieren?

    Soll das Spurenelement bei "Kohlenstoff ist nur ein ... im Erdmantel [...]" heißen?

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  2. Hallo! Schön, mal einen Kommentar mit interessanter Frage zu bekommen :)

    Die Entstehung Schwarzer Zwerge ist eine zeitliche Extrapolation aus unseren Kenntnissen über die innere Beschaffenheit Weißer Zwerge: Da diese keine Energie mehr nachproduzieren (das Fusionsfeuer in ihnen ist ja erloschen), aber dennoch leuchten, muß die Wärmeenergie in ihnen mit der Zeit abnehmen. Die Lichtenergie, die die Zwerge ins All abstrahlen, muß ja irgendwo herkommen, und die einzige Quelle, die den kleinen "Sternenleichen" noch bleibt, ist die Wärme, die in ihnen gespeichert ist. Die Temperatur der Zwerge muß daher ganz allmählich sinken, und ihre Leuchtkraft dabei abnehmen, bis sie in ferner Zukunft dunkel und kalt geworden sind, ähnlich wie ein Metallwerkstück, das ein Schmied in seiner Esse bis zur Weißglut erhitzt hat, langsam immer kühler und dunkler wird, wenn keine weitere Wärmeenergie zugeführt wird.

    Diese Theorie wird auch durch Beobachtungen bestätigt. Rund um die Scheibe unserer Galaxis herum existieren sogenannte Kugelsternhaufen, die eine Art kosmisches Seniorenheim sind: Die Sterne in ihnen gehören zu den ersten, die in der Galaxis entstanden, sie sind daher sehr alt. Deshalb sollten dort viele Weiße Zwerge existieren, und diese sollten schon recht lange Zeit gehabt haben, um abzukühlen, und daher leuchtschwächer als Weiße Zwerge in anderen Regionen sein. Beobachtungen mit dem Hubbleteleskop bestätigen diese Vermutung:
    http://hubblesite.org/newscenter/archive/releases/2002/10/text/

    Danke für's Auffinden des Rechtschreibfehlers, ja soll "Spurenelemente" heißen, werd ich gleich korrigieren!

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